Stechuhr Comeback? Veranstaltung brachte Licht ins Arbeitszeiterfassungs-Dunkel

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?

Auf unserer Info-Veranstaltung am 18. November zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Mai 2019 (C-55/18) stellte Marlies Heimann, Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein den Spruch aus Luxemburg vor. Im Anschluss erläuterte Prof. Dr. Stefan Lunk, Fachanwalt für Arbeitsrecht, die möglichen Auswirkungen auf die unternehmerische Praxis. Mit rund 60 Gästen wurde das Urteil in den Räumlichkeiten der TA Nord diskutiert.

Was der EuGH geurteilt hat

Im Kern geht es in dem „Stechuhr-Urteil“ um die Verpflichtung der Arbeitgeber durch den jeweiligen nationalen Gesetzgeber, im Sinne der europäischen Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) ein verlässliches System zu schaffen, mit dem die gesamte tägliche Arbeitszeit erfasst wird. Dabei hatten die Luxemburger Richter vor allem den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Blick. Der Gerichtshof betont die Bedeutung des in der EU-Charta verbürgten Grundrechts eines jeden Arbeitnehmers auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf Ruhezeiten.

Nun sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, entsprechende Regelungen einzuführen, die dies sicherstellen.

Auswirkungen auf Unternehmen

Erleichterung bei den anwesenden Unternehmern: Die EuGH-Entscheidung hat nach Auffassung von Prof. Lunk aktuell noch keine unmittelbare oder mittelbare Wirkung für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das heißt also, dass Vertrauensarbeitszeit auch weiterhin möglich ist. Der Arbeitgeber hat nach § 16 Abs. 2 ArbZG wie bisher nur die Pflicht, die werktäglich über acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen und kann diese Pflicht auf den Arbeitnehmer delegieren. 

Wichtig für alle Unternehmen mit einem Betriebsrat: Die Einführung eines Systems zur vollständigen Arbeitszeiterfassung kann aus Sicht des Referenten vom Betriebsrat nicht initiativ verlangt werden.

Die aktuelle Rechtslage ändert sich durch das Urteil also nicht. Vielmehr wurde auch bei der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmenden deutlich, dass das restriktive Arbeitszeitrecht vor allem in Zeiten der Arbeitswelt 4.0 angepasst werden sollte.

4 Forderungen für eine schnelle Lösung

Murmann machte auf der Veranstaltung deutlich, dass der Gesetzgeber schnell handeln muss, um Klarheit zu schaffen: "Unsere Regierung, die Sozialpolitik und auch die Sozialpartner sind nun gefordert, mit einem neuen Gesetz der selbstbestimmten Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen. Diese wichtige Aufgabe sollte auf keinen Fall in die nächste Wahlperiode geschoben werden, damit die aktuell herrschende Unsicherheit auf Arbeitnehmer und Arbeitgeberseite schnell beendet wird."

Weiter betonte Murmann, dass

  1. der Arbeitgeber die Zeiterfassungspflicht auf die Arbeitnehmer verbindlich delegieren kann. Jede andere gesetzliche Regelung wäre nicht umsetzbar und würde in das Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer eingreifen und ggf. deren Privatsphäre verletzen. Die Kontrollpflichten des Arbeitgebers müssen in zumutbarem und dem Arbeitgeber möglichem Rahmen bleiben.
  2. dem Digitalen Wandel in der Arbeits- und Lebenswelt Rechnung getragen wird. Die Regelung darf die Flexibilität der Arbeit in Bezug auf Arbeitsort und Einteilung der selbstbestimmten Arbeit nicht beeinträchtigen.
  3. die organisatorische und finanzielle Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber berücksichtigt werden muss, beispielsweise durch Ausnahmeregelungen für kleine Betriebe. Schutzrechte nützen nur demjenigen, der auch einen Arbeitsplatz hat.
  4. der Arbeitgeber Spielraum und Entscheidungssouveränität haben muss, welches System er wie und für wen einführt.

Die Folien der Referenten mit detaillierten Ausführungen zum Nachlesen finden Sie im internen Mitgliederbereich unter „Skripte & Präsentationen“.


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