Justizia

BAG: Die Angabe „geringfügige Beschäftigung“ ist keine Nettolohnvereinbarung

Abschluss Arbeitsvertrag

Alleine aus dem Abschluss eines Arbeitsvertrags „für geringfügig entlohnte Beschäftigte“ folgt nicht, dass die Parteien eine Nettolohnvereinbarung getroffen haben. Sofern eine ausdrückliche Nettolohnabrede fehlt, muss ein darauf gerichteter Wille unmissverständlich in den Vereinbarungen der Parteien zum Ausdruck kommen.

BAG, Urteil vom 23.09.2020 - 5 AZR 251/19 

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein Anbieter von Pflegedienstleistungen, bei der die Klägerin als Nachtwache tätig war. Vereinbarungsgemäß bestand ein „Arbeitsvertrag für geringfügig entlohnte Beschäftigte“. Der Beklagte zahlte die Vergütung der Klägerin ohne Abzug von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen aus. Die Klägerin stellte sich später auf den Standpunkt, dass ihr ein Mindestentgelt nach der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche oder zumindest der gesetzliche Mindestlohn zzgl. des vertraglich vereinbarten Nachtzuschlags zustehe. Der nach Abzug der bereits geleisteten Zahlungen berechnete Differenzbetrag sei ihr als Nettoentgelt zu zahlen, unabhängig davon, ob die Nachzahlung die Grenze der geringfügigen Beschäftigung überschreitet.

Mit der Klage forderte die Klägerin eine Nettodifferenzvergütung für die Jahre 2014 bis 2017 in Höhe von insgesamt 9.430,17 EUR.

 

Entscheidung

Alle drei Instanzen (Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und BAG) entschieden, dass die Parteien keine Nettolohnvereinbarung abgeschlossen haben. Nach dem BAG sei Inhalt einer Nettolohnvereinbarung, dass der Arbeitgebende im Innenverhältnis zum Arbeitnehmenden sämtliche auf das Arbeitsentgelt entfallende Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung trägt. Da solche Vereinbarungen die Ausnahme seien, müsse diese einen darauf gerichteten Willen klar erkennen lassen. Eine solche ausdrückliche Abrede konnte die beweisbelastete Klägerin nicht darlegen. Allein aus der im Arbeitsvertrag enthaltenen Formulierung „für geringfügig entlohnte Beschäftigte“ könne die Arbeitnehmerin nicht schließen, dass eine Nettolohnabrede getroffen wurde. An eine geringfügige Beschäftigung i.S.d. § 8 I Nr. 1 SGB IV seien zwar sozialversicherungs- und steuerrechtliche Privilegien geknüpft. Aus der Vereinbarung einer geringfügig entlohnten Beschäftigung könne ein durchschnittlicher Arbeitnehmender aber nur dahingehend verstehen, dass die gesetzlich festgelegte Grenze der Geringfügigkeit eingehalten werden soll und es sich um ein „normales“ Beschäftigungsverhältnis i.S.d. Vorschrift bzgl. der sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Folgen handelt. Für eine Nettolohnabrede muss ein darauf gerichteter Wille vielmehr unmissverständlich zum Ausdruck kommen.

 

Fazit

Der Entscheidung des BAG ist absolut folgerichtig. Eine Nettolohnvereinbarung kann nicht allein aus dem Abschluss eines Arbeitsvertrags, der auf eine geringfügige Beschäftigung gerichtet ist, resultieren. Eine Nettolohnvereinbarung ist unüblich und muss eindeutig vereinbart werden.

 


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