Kündigung

AGG-Entschädigung wegen unwirksamer Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

Kündigung

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes begründet die Vermutung i.S.v. § 22 AGG, dass er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.05.2021 – 10 Sa 49/20 

Schwerbehinderung „schlichtweg übersehen“

In dem streitigen Fall hatte die beklagte Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem schwerbehinderten Kläger ohne vorherige Beteiligung des Integrationsamtes gekündigt und erst im Kündigungsschutzverfahren die Rücknahme der Kündigung erklärt. Der Kläger fordert von der Beklagten eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern. Die Kündigung sei wegen seiner Schwerbehinderung ausgesprochen worden. Die Beklagte gab an, ausschließlich aus betriebsbedingten Gründen gekündigt zu haben. Die Schwerbehinderung des Klägers sei bei der Sozialauswahl „schlichtweg übersehen“ worden.

Nachteil durch Nichtbeachtung

Sowohl die erste Instanz als auch das Berufungsgericht LAG sprachen dem Kläger eine Entschädigung nach dem AGG zu. Durch die ohne Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung habe die Beklagte den Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Maßgeblich sei, dass dem Kläger durch die Nichtbeachtung der Schwerbehinderung der Vorteil des besonderen Kündigungsschutzes entzogen worden sei.

Absicht nicht entscheidend

Da es auf eine Benachteiligungsabsicht nicht ankomme, habe der Kläger auch nicht beweisen müssen, dass die Beklagte ihn benachteiligen wollte. Es genüge, wenn der Betroffene Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Zur Widerlegung hätte die Beklagte Tatsachen vorzutragen und ggf. beweisen müssen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere Gründe als die Schwerbehinderung zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben. Dies sei ihr nicht gelungen.

Achtung Schutzvorschriften

Nach dem LAG begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderten Menschen enthalten, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Wenn der Arbeitgeber von einer Schwerbehinderung weiß, beinhaltet der Ausspruch einer Kündigung ohne Beteiligung des Integrationsamtes die Gefahr einer Entschädigungspflicht. Vom laxen Umgang mit Schutzvorschriften ist also dringend abzuraten.


 


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